Sturm auf Burg Tannenberg

Der Frankfurter Spieltrieb glänzt seit Jahren mit innovativen und handwerklich exzellenten Präsentationen auf der Hamburger Tactica. Dieses Jahr haben sich die Frankfurter Buben unter die Fuchtel von Projektleiterin Kerstin Rose begeben und mit Ehrenfrankfurter h.c. Rusus ein Projekt um den Sturm auf Burg Tannenberg im Jahre 1399 kreiert. Tankred hat unter anderem diese fulminante Kanone beigesteuert. frankfurter_geschuetz_002 Aus der Werkstatt von Rusus stammt das imposante Modell der Burg Tannenberg.                                                   Und hier nun ein sehr launiger Bericht von Spieltriebler Bernhard L. über das Projekt, die Historie, Raub-Ritter und Bindestriche.   Raubritter – ein umstrittener Begriff An Zeitungskiosken sieht man immer häufiger Bindestriche. Die Überschriften der Boulevardpresse sind voll davon, voll von Bindestrichen. Nach dem Muster Hauptwort + Bindestrich + Hauptwort konstruieren die Redakteure bunter Zeitungen stetig neue Schlagwörter: Schock-Bettler, Pleite-Griechen, Hass-Prediger, Döner-Morde, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Reißerisch, manipulierend aber nun mal auch einprägsam. Hätte es im Mittelalter bereits Boulevardzeitungen (oder sollte man schreiben Boulevard-Zeitungen?)  gegeben, dann würden deren Schreiber wahrscheinlich das Wort Raub-Ritter erfunden haben. Raub-Ritter natürlich mit Bindestrich. Anno 1399 wären dann Schlagzeilen wie diese denkbar gewesen:

  • Hartmut und seine Raub-Ritter schlagen erneut zu.
  • Anti-Tannenberg-Terror-Bündnis steht.
  • Frankfurter Riesen-Büchse räuchert Raub-Ritter aus.

  Doch im Jahr 1399 existierten weder Zeitungskioske noch Boulevardzeitungen. Papier war  zu kostbar um darauf kurzlebige Schlagzeilen zu drucken. Und so gab es damals auch noch keine Journalisten, die ein Wort wie Raub-Ritter konstruiert hätten. Tatsächlich wurde der Begriff erst Ende der 18. Jahrhunderts erfunden. Heute ist die Bezeichnung Raubritter unter Historikern umstritten, denn wie so manch andere Doppelwort-Konstrukte, ist sie zwar einprägsam, gilt aber auch als reißerisch und manipulierend. Da wird ein Schwarz-Weiß-Schema unterstellt, romantisch verklärt,  nämlich der böse Raubritter gegen den guten, edlen Ritter. Eine andere, eher modern und materialistisch anmutende Interpretation ist die des archaisch gewalttätigen, dekadenten Landadels gegen die fortschrittlichen, friedlichen, fleißigen Stadtbürger. Es erscheint fraglich, ob diese Gut-Böse-Einteilungen der spätmittelalterlichen Lebenswirklichkeit gerecht werden. Nun könnte man ausführlich darüber debattieren, inwieweit man im 21. Jahrhundert beurteilen kann, ob ein Begriff aus dem 18. Jahrhundert für Vorkommnisse im 14. Jahrhundert passend ist oder nicht. Aber da gab es eben auch einen gewissen Hartmut den Jüngeren von Kronberg. Und völlig unabhängig davon, ob der Begriff nun historisch korrekt ist oder nicht, auf jenen Hartmut scheint der Tatbestand des Raubrittertums bestens zu passen. Heutzutage würde man ihn vermutlich entweder als Anführer im organisierten Verbrechen oder auch als Warlord bezeichnen. Im Mittelalter gab es etwas, was man heute möglicherweise „castle sharing“ nennen würde; Burgen konnten mehrere Besitzer haben. Hartmut dem Jüngeren gehörte ein Achtel der Burg Tannenberg, gelegen am Rande des Odenwalds. Von dieser Burg aus hat man einen hübschen Blick ins Tal und in eben diesem Tal verlief die Alte Bergstraße, eine wichtige Nord-Süd-Handelsroute. Der Ein-Achtel-Burg-Besitzer machte sich Komplett-Burg-Besetzer und schuf sich so eine günstige Operationsbasis für raubritterische Aktivitäten. Oder wie es die Historiker Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck und Johann Wilhelm Wolf formulierten: „[Hartmut] begann von der Burg aus sein Wesen zu treiben. Kein Kaufmann zog mehr ungefährdet die alte Bergstraße entlang, selbst die Umwohner waren ihres Eigenthums nicht sicher. Und die Plünderung genügte den Räubern nicht, sie führten auch die Geplünderten noch auf ihr Felsennest, um hohes Lösegeld für sie zu gewinnen, und einige, für welche dies nicht entrichtet wurde, fanden ihren Tod im Gefängniß der Burg.“     Mit dem Landfrieden in den Krieg – Die Zerstörung der Burg Tannenberg im Jahre 1399   Die Obrigkeiten wollten dem Treiben ein Ende setzen. Eine Strafexpedition gegen die Raubritter wurde organisiert. Da sich auch schon damalige Politiker gerne Euphemismen bedienten, nannten sie es Landfriedensheer. Das Bündnis, welches die Truppen stellte, setzte sich aus mehreren Adligen, Kirchenleuten und Städten zusammen. Ein verwirrendes Vertragswerk entstand, wer sich mit wem zu was und wie viel verpflichtete. Die treibenden Kräfte hinter dem Bündnis waren Pfalzgraf Ruprecht III und der Mainzer Erzbischof, deren Gebiete auch am meisten durch die Raubritter zu leiden hatten. Ruprecht war mit seinen Truppen als erster vor der Burg und wohl kein Freund langwieriger Belagerungen. Mit einem Sturmangriff versuchte er die Festung zu nehmen. Hartmut und seine Getreuen schlugen den Angriff zurück. Dabei setzten sie Handbüchsen ein – primitive Handfeuerwaffen, im Grunde nichts weiter als ein Metallrohr mit Zündloch an einem Stock. Eine solche Büchse wurde später bei Ausgrabungen in einem Brunnen der Burg gefunden. Die „Tannenbergbüchse“ gilt als Europas älteste Handfeuerwaffe, die eindeutig datiert werden kann. Nachdem das Erstürmen der Burg gescheitert war, verlegten sich die Belagerer auf Beschuss. Auf dem Burggelände fand man unzählige Spitzen von Pfeilen und Armbrustbolzen sowie große Geschosse aus Stein. Letztere wurden abgefeuert aus mehreren Bilden und Bombarden. Kanonenkugeln waren damals noch aus Stein, nicht aus Metall; daher spricht man von sogenannten Steinbüchsen. Doch das Landfriedensheer verfügte trotz aller Belagerungswaffen nicht über die Feuerkraft, die notwendig war, der Burg maßgeblichen Schaden zuzufügen. Eine Steinbüchse mit derartigem Kaliber (nämlich ca. 50 cm) besaß die Stadt Frankfurt. Die Frankfurter zögerten allerdings, mit ihrer großen Kanone anzurücken. Der Grund dafür lag zehn Jahre zurück. Damals, bei der Kronberger Fehde im Jahre 1389, hatte die Stadt Frankfurt ein Kriegszug gegen die Herren von Kronberg unternommen. Das Ergebnis war verheerend gewesen. In der Schlacht von Eschborn hatten die Kronberger Ritter das zahlenmäßig überlegene Frankfurter Heer vernichtend geschlagen. Zehn Jahre später zahlte die Stadt Frankfurt immer noch für Reparationen und Lösegelder. „Seitdem war die schwer geschlagene Stadt gezwungen, Freundschaft gegen die Ritter zu heucheln, …“ berichten die o.g. Historiker. Und da Hartmut von Kronberg eben ein von Kronberg war, wollten sich die Frankfurter nicht den Zorn von dessen Verwandten zuziehen und zögerten das Landfriedensheer zu unterstützen. Truppen, die man zur Tannenburg beorderte, fehlten wohl möglich bei der Verteidigung der Stadt. Zudem bestand die Gefahr eines Überfalls während man die große Steinbüchse den Main entlang nach Mainz transportierte. Es wird berichtet, dass die Kronberger zu diesem Zweck im Vordertaunus Truppen zusammenzogen, doch schließlich vermieden sie Kampfhandlungen gegen die Stadt Frankfurt. So gelangte das Geschütz unbeschadet zur belagerten Tannenburg. Das Heranschaffen der schweren Waffen, Kugeln, Pulver und sonstigem Belagerungsgerät erwies als logistischer Kraftakt. „… die Frankfurter große Steinbüchse jedoch machte bei dem Transport auf den Berg viele Mühe. Es dauerte trotzdem, daß zwanzig Pferde an dem Geschütz und zwei und dreißig an den Munitionswagen zogen, einen vollen Sommertag, ehe man sie droben sah.“ Die Schilderungen über den weiteren Verlauf fallen unterschiedlich aus. In Wikipedia heißt es, dass das Frankfurter Geschütz die Wende brachte und: „Rund 40 Kugeln mit je 50 cm Durchmesser und einem Gewicht von 170 kg schlugen Breschen in die Burg. Aber erst als der Bergfried durch eine Pulverexplosion zerstört wurde, gab die Besatzung auf.“ Von Hefner-Alteneck und Wolf berichten dagegen, dass sich die Belagerung noch hinzog und mühseliger und blutiger verlief als es bei Wikipedia klingt. Von Kapitulation ist bei ihnen nicht die Rede; auch nicht davon, dass der Bergfried durch einen Kanonentreffer zur Explosion gebracht wurde. Immerhin bestätigen sie die Wirksamkeit der Kanone. „Die große Steinbüchse rechtfertigte vollkommen die Erwartungen, welche man von ihr gehabt, und ihre Erfolge sprechen gleich sehr für die Gewandtheit des Frankfurter Büchsenmeisters, der sie so vortrefflich zu richten verstand, daß sie beim ersten Schusse am 14.[Juni 1399] einen Stein in das Gemäuer des gewaltigen Berchfrieds der Burg sandte und mit dem zweiten ein großes Loch in denselben schlug.“ Aber damit war die Burg noch nicht erobert. Die Logistik bereitete Probleme. Zusätzliches schweres Gerät wie Belagerungstürme mussten herangeschafft und aufgebaut werden. Der Nachschub an Steinkugeln verschleppte sich. Außerdem war man sich in der Armeeführung uneins. Der Pfalzgraf war ungeduldig und drängte auf Sturm; Phillip von Nassau (der zumindest formal den Oberbefehl hatte) plädierte für ein umsichtiges Vorgehen. „Und mit diesem Heere und diesen Mitteln sah der Pfalzgraf nach neunzehntägiger Belagerung noch nicht ab, wie er die Feste gewinnen könne, ein sprechender Beweis für die Tapferkeit der 56 Belagerten und die Umsicht, mit welcher Hartmud von Cronenberg die Vertheidigung leitete.“ Schließlich wurde die Festung mit Erfolg erstürmt, nicht ohne Mühen und Opfer. Die Quellen sagen nichts über Zahl und Verluste der Angreifer. Von den Verteidigern heißt es: „… sie waren erschöpft von den fast übermenschlichen Anstrengungen der letzten zwanzig Tage und dazu, wie es scheint, mit Lebensmitteln spärlich versehen. Noch einmal boten sie Alles auf, die Burg zu halten, doch vergebens. Sie mußten dem wilden Andrang der Bundesgenossen weichen; alle wurden zu Gefangenen gemacht. Es waren ihrer noch 48 und von diesen nur 5 unverwundet; viele trugen selbst tödtliche Wunden.“ Nachdem die Festung eingenommen war, wurde sie systematisch zerstört. Gemäß den Bündnis-Vereinbarungen sollte die Tannenburg als Operationsbasis für zukünftige Raubzüge unbrauchbar gemacht werden. Der Bergfried wurde gesprengt und alle Gebäude außer der Kapelle und dem Pfarrhaus niedergebrannt. Das Feuer breitete sich so schnell aus, dass den Soldaten nicht genügend Zeit bleib um das Plündergut zu sichern. Die Zerstörung sollte noch ein juristisches Nachspiel haben. Wie zuvor erwähnt, gehörte Hartmut eigentlich nur ein Achtel der Burg. Andere Burg-Teilbesitzer versuchten noch Jahrzehnte später Schadensersatz einzuklagen. Das Leben von Hartmut und seinen Gefolgsleuten wurde geschont, was die beiden Geschichtsschreiber als ungewöhnlich einstufen. Offensichtlich fürchtete das Bündnis  Racheakte der Kronberger Ritter gegen die Stadt Frankfurt. Im Herbst des folgenden Jahres 1400 wurden die Gefangenen, sofern sie nicht Verwundungen erlagen, freigelassen. Auch der Raubritter Hartmut war wieder ein freier Mann.     Die Burg Tannenberg auf der Hamburger Tactica 2013   Belagerungen werden im Tabletop mit gemischten Gefühlen gesehen. So manche Wargamer haben etliche Arbeitstunden investiert um sich eine Burg zu basteln, nur um dann festzustellen, dass das Spielen einer Belagerung zäh und langatmig ist. Der Spieltrieb Frankfurt wird deshalb kein klassisches Belagerungsszenario präsentieren. Vielmehr erlauben wir uns einige historische Freiheiten oder man könnte auch sagen, die Geschichte der Burg in einer alternativen Zeitlinie. In unserem Szenario gehen wir davon aus, dass die Kronberger Ritter ihren Verwandten Hartmut mit der Entsendung von Truppen unterstützt haben. Nun wagt die geballte Macht der Kronberger einen Ausfall mit dem Ziel, die große Frankfurter Steinbüchse unschädlich zu machen. Das Regelsystem wird wieder einmal Impetus sein. Obwohl dies kein  Belagerungsszenario im eigentlichen Sinne ist, gibt es trotzdem die Burg zu sehen. Miniaturen-Baumeister Rusus hat ein prachtvolles Modell der Tannenburg gebaut, das eines der Hingucker der diesjährigen Tactica sein wird.   Quellen:   Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Tannenberg_(Seeheim-Jugenheim) http://de.wikipedia.org/wiki/Raubritter   Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck und Johann Wilhelm Wolf: Die Burg Tannenberg und ihre Ausgrabungen http://books.google.de/books?pg=PA17&id=giNJAAAAcAAJ&hl=de#v=onepage&q&f=false      

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.